Psychoedukation
Was ist Psychoedukation?
Psychoedukation gilt als Standard in der Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Depressionen. Psychoedukative Inhalte sind ein integraler Bestandteil jedes therapeutischen Gesamtkonzepts und spielen daher auch in der hausärztlichen Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Depressionen eine bedeutende Rolle.
Bei psychischen Erkrankungen sind die Grenzen zwischen Patienteninformation, Psychoedukation und Therapie fließend. Mit Psychoedukation ist sowohl die Vermittlung von Informationen über die Erkrankung und Behandlungsmöglichkeiten als auch die Vermittlung von Strategien für eine bessere Krankheitsbewältigung gemeint.
Warum Psychoedukation bei Depressionen?
Die beiden wichtigsten Ziele der Psychoedukation sind zum einen die patientengerechte Vermittlung von Informationen über die Krankheit als auch die Förderung der Fähigkeiten zur Krankheitsbewältigung. Weitere positive Auswirkungen von Psychoedukation lassen sich beispielsweise durch eine Verbesserung der Compliance bei der medikamentösen Behandlung beobachten.
Studien geben zudem Hinweise darauf, dass durch umfassendere psychoedukative Programme folgende Effekte zu erwarten sind:
- Reduktion von Stress und Depression
- Besseres soziales Funktionsniveau
- Verbesserung des krankheitsbezogenen Wissens und der Lebenszufriedenheit
Des Weiteren wird angenommen, dass psychoedukative Interventionen die Rückfallraten und den Krankheitsverlauf insgesamt positiv beeinflussen können.
Inhalte psychoedukativer Interventionen
Psychoedukative Interventionen bei Depressionen umfassen in der Regel mehrere strukturierte Sitzungen zu den unterstehenden Themen.
- Hauptsymptome: niedergeschlagene Stimmung, Interessens- und Freudlosigkeit sowie Antriebslosigkeit.
- Weitere Symptome: u.a. Konzentrationsschwierigkeiten, vermindertes Selbstwertgefühl, Gefühle von Schuld, Hoffnungslosigkeit, Veränderung in Appetit/Schlaf/Libido, Gedanken an den Tod oder Suizid
- Der Krankheitsverlauf einer Depression kann variieren, wobei der Verlauf in den meisten Fällen episodisch ist, bei einem kleinen Teil chronisch
- Depression als multifaktorielles Geschehen: Depressionen lassen sich im Allgemeinen nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen.
- Vermittlung des Vulnerabilitäts-Stress-Modells: innere (= Vulnerabilität) und äußere Umstände (=Stress) können dazu führen, dass eine Person an einer Depression erkrankt. Vulnerabilität bedeutet Anfälligkeit und kann auf die genetische Veranlagung und frühe Prägungen zurückgeführt werden. Zu äußeren Stressfaktoren gehören bspw. persönliche Verluste, familiäre oder berufliche Probleme, chronische Belastung.
- Ziel: Entlastung der Patient:innen von Schuldgefühlen
- Synapsenmodell zur Erklärung des Zusammenspiels von Körper und Psyche
- Erklärung, dass bei einer Depression eine Störung des Stoffwechsels im Gehirn vorliegt (v.a. Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin nicht mehr im Gleichgewicht)
Medikamentöse Behandlung
- Nennung sowie Beschreibung der Wirkweise von Antidepressiva (zum Beispiel Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, Selektive Serotonin- und Noradrenalin Wiederaufnahmehemmer, Trizyklika, pflanzliche Mittel)
- Erklärung potentieller Nebenwirkungen: Übelkeit, Mundtrockenheit, Magen-Darm-Probleme, Müdigkeit, Unruhe, sexuelle Dysfunktion etc.
(Psycho-)therapeutische Verfahren
- Vor allem kognitive Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte/analytische Psychotherapie und systemische Therapie
- Verhaltensaktivierung: Aktive Beteiligung am Leben durch Förderung angenehmer Aktivitäten (zum Beispiel Sport, Spazieren gehen, ein Buch lesen, Essen gehen, sich künstlerisch betätigen, backen, ein Bad nehmen etc.)
- Negative Gedanken erkennen und korrigieren: Erkennen und Benennen typischer Denkmuster einer Depression (zum Beispiel Alles- oder Nichts-Denken, Katastrophisieren, Abwehr des Positiven) sowie Erarbeiten von realistischen Alternativ-Gedanken
- Entspannungsverfahren: Zum Beispiel Atemübungen, Meditation, Progressive Muskelentspannung
- Strategien zur Erkennung von Rückfällen und Krisen: individuelle Warnsignale erkennen (z.B. Veränderungen im Schlafverhalten, Rückkehr negativer Gedanken, zunehmende soziale Isolation, Veränderungen des Appetits, Antriebslosigkeit)
- Umgang mit Suizidalität und Erstellung von Krisenplänen: Erkennen von suizidalen Gedanken, Identifizieren von Risikofaktoren, Notfallkontakte festlegen und notieren, Einbindung des sozialen Umfelds
- Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.2. 2022 [cited: 2024-11-25]. DOI: 10.6101/AZQ/000505.
- Pitschel-Walz, G., Bäuml, J., & Kissling, W. (2018). Psychoedukation bei Depressionen: Manual zur Leitung von Patienten-und Angehörigengruppen (2. Aufl.). Elsevier.